Heute habe wir uns in der Arbeit über "Prozesse" unterhalten. Bei uns geht es meistens um "Prozesse" - meistens in der Produktion. Produktionsprozesse. Wir modellieren sowas.
Es geht bei uns auch manchmal noch um andere Prozesse - z.B. wenn wir über Projektmanagement reden. Aber das sind immer Diskussionen, die keiner wirklich führen will, weil die Prozesse, die bei uns die Menschen ausführen sollen, ein unbeliebtes Thema sind.
Wie dem auch sei. Produktionsprozesse. Ich sag ja mal eins - und das hab ich auch schon heute in der Diskussion gesagt: Es gibt gar keinen Prozess. Jawoll! Jetzt kann man natürlich sagen: Das ist ja ein einfacher Standpunkt, auf den Du Dich da zurückgezogen hast. Aber: Hat schonmal jemand einen "Prozess" gesehen? Und es ist leider kein einfacher Standpunkt. Denn wenn ich das im vollsten Brustton meiner Überzeugung sage, dann muss ich natürlich auch anbieten, was statt dem, was zur Zeit gemeinhin als Prozess gesehen wird - und was ich verleugne -, existiert.
Nehmen wir z.B. eine Produktion, in der zwischen zwei Teilanlagen ein Teil transportiert wird. Im ersten Teil der Anlage werden kleine Chips in eine kleine Plastikflasche gefüllt. Die wird dann zum "Verdeckeln" gefahren, wo - genau - ein Deckel draufgedreht wird. Ich stell es mir vor. Oder besser noch: Ich schau hin. Ich sehe eine Abfolge von Arbeitsschritten (nennen wir sie Aktionen), die zeitlich nacheinander (das ist wichtig) passieren. OK OK, es klingt spitzfindig, wenn ich das nicht als "Prozess" betrachten will. Aber es ist eben nur eine Ausprägung dieses Begriffs.
Anderes Beispiel: Geschäftsprozess. Meine Güte, das ist das Unding schlechthin. Hat irgend jemand eine Idee, was ein Geschäftsprozess ist? Es kommt drauf an. Wenn man einen Nicht-Computer-Mensch fragt, was das ist, dann wird er wohl sowas sagen, wie "koordinierte Abfolge von Tätigkeiten in einem Unternehmen, bla". Keine Ahnung wie das genau definiert wird. Nur eins ist sicher: Es sind Menschen beteiligt, die - angeleitet durch ein definiertes Regelwerk - in einem Unternehmen zusammen ein Ziel verfolgen, z.B. ein Bauteil bestellen. Ich habe bewusst "angeleitet" gesagt, denn die Befolgung dieses "Prozesses" hängt in letzter Instanz _einzig und allein vom freien Willen der beteiligten Menschen ab_, sich an das Regelwerk halten zu wollen.
Fragt man hingegen einen Computer-Mensch, was ein Geschäftsprozess ist, dann kommt da was ganz anderes raus. Ich schätze mal, dann kommt eher sowas wie "Der wird mit BPMN oder ARIS modelliert" raus. Na und? Was soll das? Kann man das essen? Nein! Dann haben wir es plötzlich mit einem IT-Konstrukt zu tun, das in irgendeiner Form als Eingabe für ein IT System genutzt wird, das ihn dann "interpretiert" und vielleicht auch noch "ausführt", um dann in irgendeiner undurchsichtigen Art und Weise, nach Regeln die nur der Programmierer kennt (verzeiht meinen etwas bissigen Ton, aber ich bin selbst Entwickler), Daten zu generieren, die dann in einer Datenbank abgelegt werden. Toll. Wie bereits gesagt: Na und?
Was also bleibt sind die Daten oder die Flasche mit Chips.
Meine Kollegen hatten dann heute noch eine geniale Idee. Sie haben gesagt: Ein Prozess ist eine Beschreibung einer Abfolge von Aktivitäten. Oder zumindest hab ich gefragt, ob ich ihre Ausführungen so verstehen kann, und sie haben das bestätigt. Das ist möglicherweise auch ein gemeinsamer Nenner, auf den man sich einigen kann. Aber nur bei uns. Wikipedia sagt etwas anderes. Für uns ist jedoch wichtig, einen Prozess zu beschreiben. Damit wird der Prozess zu einem Beschreibungsmittel und die Verwendung dieses Wortes, wie sie gemeinhin passiert, ist meiner Meinung nach nicht richtig. Dadurch wird der Prozess nämlich zu einem eigenen Ding.
Und das gibt es nicht, weil es sich dabei um eine Metapher handelt.
Montag, 19. Juli 2010
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