Dienstag, 1. Juni 2010

Friedhof der vergessenen Identitäten

Letztes Wochenende habe ich den neuen Bruce Willis Film gesehen - "Surrogates - Mein Zweites Ich". Ich war gespannt, wie dieser Film sich der Doppelgänger-Thematik näherte. Die Internet Movie Database hat den Film mit einer 6,3 bewertet. Das entsprach nicht ganz meinem Empfinden (ich hätte vielleicht eine 7,3 gegeben).

In dem Film ging es im Prinzip darum, dass der Mensch nicht mehr selbst auf die Straße und seinem täglichen Leben (wie z.B. einer Arbeit) nachgehen muss, sondern dass er das von einem Roboter erledigen lassen kann, den er von zuhause aus steuert. Die Menschen lagen dabei nur noch in so einer Art Bett und gaben Ihren Robotern Befehle, wobei diese direkt aus dem Nervensystem abgeleitet wurden (ja, es gab auch eine mehr oder weniger gute Erklärung, aber darauf will ich nicht hinaus).

Ich weiss nicht, wer auf diese Idee gekommen ist und welche Gedanken ihn oder sie dazu veranlasst haben, dieses Thema des Doppelgängers so darzustellen, aber für mich sah es nach einer kurzen Zeit so aus, als hätte jemand das Proxy-Pattern auf die menschliche Gesellschaft angewendet. Es wurde eine Welt dargestellt, in der die Menschen nicht mehr direkt miteinander interagierten, sondern sich nur noch in den eigenen vier Wänden aufhielten, um so den "Gefahren" des alltäglichen Lebens aus dem Weg zu gehen.

Für diejenigen, die nicht wissen, was ein Proxy-Pattern ist: Es handelt sich dabei um eine Konstellation von Software-Artefakten, in der eines der Artefakte eine Anfrage entgegen nimmt, die eigentlich für ein anderes Artefakt gedacht war, und diese dann an den beabsichtigten Empfänger weiterleitet. Hier ein Bild:



Jeder Mensch hat also seinen eigenen Proxy bekommen, der für ihn oder sie durch die Welt gelaufen ist. Das war natürlich überspitzt dargestellt, aber im Prinzip geschieht genau dasselbe bereits heutzutage. Sicher nicht in der echten Welt, aber unsere Internet-Identitäten - Logins, Nicknames in Foren, Communities usw. - sind genau solche Proxies. Wir geben uns Namen und Avatare (kleine Bildchen, die irgendeinen oder vielleicht auch keinen Aspekt unserer eigenen Persönlichkeit betonen und in die Internet-Identität hinein projizieren). Übrigens: In "Surrogates" konnte man auch die Erscheinung der Roboter bestimmen.

Ein Aspekt, den man der im Film dargestellten Situation zugute halten muss, ist, dass ein toter Mensch keinen Roboter mehr steuern kann. Das heisst, wenn jemand tot ist, läuft auch kein Proxy mehr für ihn durch die Landschaft. Aber heutzutage im Internet ist die Situation anders.

Ich hatte mal einen guten Bekannten, den ich versucht habe immer dann zu besuchen, wenn ich "in die Heimat" gefahren bin, will sagen, dahin, wo ich aufgewachsen bin. Eines Tages habe ich erfahren, dass er bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist, was mich doch stärker mitgenommen hat, als ich erwartet hatte. Das Interessante ist nun, dass ich heute immer noch seine Kontaktdaten in einem sozialen Netzwerk (dessen Namen ich hier nicht nennen will) in meiner Liste habe. Dort lächelt mich sein Konterfei immer noch an. Ich frage mich, wieviele solche "toten Kontakte" es geben muss. Und wer soll die eigentlich aufräumen?

Am Ende überlebt nur die digitale Seele, weil sie in irgendeinem Rechner gespeichert ist und das Internet ist ein riesiger virtueller Friedhof auf dem sich die Lebenden tummeln...

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