Letztes Wochenende war ich wiedermal zuhause bei meinen Eltern. Und wie es Tradition ist, kommt dann mein Bruder zu uns zum Essen und wir reden über dies und das. Und da er - genau wie ich - ein "Streiter", oder besser "Argumentierer", ist, werden unsere Diskussionen manchmal recht hitzig. Es ist toll, mit jemandem ein Thema zu diskutieren. Am besten sind die Diskussionen, während denen ich mir einmal eingestehen muss, dass ich kein Gegenargument habe.
Wie immer kamen wir vom Hundertsten ins Tausendste und am Ende waren wir wieder bei unserem Thema numero eins: Die Politik ist schlecht. Nun ist es so, dass unsere Herangehensweisen sich - wahrscheinlich aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrungen und Lebenssituationen - unterscheiden. Mein Bruder meint: "Das politische System ist schlecht. Ich kann auch nichts verändern, weil ich meine eigenen Kämpfe kämpfe und Egoist bin." Das ist ein legitimer Standpunkt. Vor allem vor einem biologischen Hintergrund ist gegen Egoismus nichts einzuwenden. Wer sonst sieht zu, dass es mir gut geht, wenn nicht ich. Ich jedoch bevorzuge, auch mal zu unseruchen, was man anders machen könnte. Ich gönne mir auch mal den Luxus, eine Sache nicht nur von meinem eigenen Standpunkt aus zu betrachten. Man könnte mich - und genau so ist es auch schon oft passiert - einen Idealist nennen. Das stimmt aber nicht. Ich bin auch ein Egoist - noch dazu ein ziemlich überzeugter.
Wie dem auch sei...Am Ende unserer Diskussion stand eine interessante Frage im Raum: Was muss man tun, um herauszufinden, ob ein Politiker nur wegen der guten ökonomischen Umstände diesen "Beruf" ergriffen hat, oder ob er es aus Überzeugung tut? Erst heute morgen habe ich in "Plus Minus" erst wieder einen Beitrag über die Verflechtungen von Politik und Banken gesehen und über die daraus resultierende Wirkungslosigkeit der neuen Maßnahmen zur Bankenregulierung. Und weil ich dieses Thema interessant finde, führten mich meine Gedanken darüber zu einem Gedankenexperiment....
Stellen wir uns vor, dass Politiker nicht gewählt werden - sondern sie werden verpflichtet. Wie wäre es, wenn es kein mit Privilegien versehener gut bezahlter Job ist, Politik für das Volk zu machen, sondern eine Pflicht. Und wieso sind Beamte eigentlich etwas besonderes? Weil sie mehr arbeiten? Kaum. Weil sie mehr Verantwortung tragen? Meiner Meinung nach auch nicht. Wenn ein Produktmanagement in einem Unternehmen sagt, was als nächstes angeboten werden soll und so die Strategie der Firma bestimmt, dann trägt es deutlich mehr Verantwortung für alle, die direkt von dieser Entscheidung abhängen, als irgendein Beamter in seinem Furzkämmerchen.
Wie stelle ich mir nun einen besseren Staatsapparat also vor? (Nur mal ein grober Beginn...)
- Politiker werden verpflichtet. Jedoch: Sie dürfen nicht kündigen. Ihre Entscheidungen werden bewertet. Vom Erfolg einer Entscheidung hängt das Einkommen ab. Sie dürfen keine Verbindungen zu irgendeinem Industrieunternehmen unterhalten. KEINE!. Tun sie es doch, werden sie bestraft: Gefängnis - für die Dauer ihrer Amtszeit. An ihre Stelle wird ein neuer Politiker berufen. Politiker besitzen keine Imunität.
- Beamte gehören zu einer Firma, die die Staatsbürokratie bearbeitet. Diese Firma muss zumindest kostendeckend arbeiten, wenn nicht sogar einen Gewinn erwirtschaften. Sie bekommt einen Teil der Steuereinnahmen als Budget zugewiesen. Das muss reichen. Der Leiter der Firma zeichnet für das Ergebnis verantwortlich. Er wird auch verpflichtet - zu denselben Bedingungen wie ein Politiker, nur dass seine Ziele sich an SEINEM Job ausrichten.
- Es gibt einen "Wächterrat". Er hat die Aufgabe, die Politiker zu bestimmen. Die Auswahl wird in einer öffentlichen "Zeremonie" durchgeführt. Die Entscheidungskriterien müssen klar dargestellt sein. Sie bestehen aus einer Kombination von räumlicher Streuung und Betrachtung individueller Eigenschaften. Ein psychologischer Test legt die Grundlage für die Möglichkeit der Verpflichtung. (Wenn ich mir die medizinischen Daten vorstelle, die somit automatisch verfügbar werden...) Wird festgestellt, dass eine Entscheidung nicht korrekt getroffen wurde (Kriterien sind festzulegen), dann wird das Verfahren wiederholt. Bei mehrmaliger Verfehlung wird das Mitglied des "Wächterrates" bestraft: Gefängnis.
- Es gibt auch eine Polizei: Sie hat neben ihrer Aufgabe, für Ordnung zu sorgen auch die Aufgabe, den Staatsapparat zu kontrollieren.
Hmm, ich denke gerade, dass das System sich selbst kontrollieren muss. Gibt es ein sich selbst offen und ehrlich überprüfendes und regulierendes System aus Menschen? Solange alle Menschen nur und ausschließlich als Individuen betrachtet werden, wohl eher nicht. Wenn ich so über meine Staatsidee reflektiere, dann hat sie als Kern, dass zum einen die Konsequenzen für Fehlverhalten drastischer werden müssten und dass die Orientierung vom Individuum hin zur Gemeinschaft erzwungen (und damit verstärkt) wird. Kann man das nicht auch ohne Druck erreichen? Kann man nicht erwarten, dass jeder neben seinem ihm eigenen Egoismus auch ein gerüttelt Maß an Kooperationsbereitschaft an den Tag legt, um zu erkennen, dass die eigenen Handlungen - wenn auch durch Egoismus motiviert - anderen zumindest nicht schaden
Wahrscheinlich bin ich doch ein Idealist oder zumindest ein idealistischer Egoist...
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