Mittwoch, 24. November 2010

Irrtum

Gestern morgen saß ich mit meiner Familie beim Frühstück und im Radio lief das"Sonntagsfrühstück" auf Bayern 3. Da wurde Markus Lanz (ein Fernsehmoderator)interviewt. Er schwärmte von seinen Tripps nach Grönland und davon, dass es dort so wundervoll ruhig sei und er schilderte wie laut und hektisch es doch in unserem Alltag zuginge.

Im Laufe des Interviews kam er irgendwann zu der Aussage, dass wir uns doch immer wieder neue technische Spielereien kauften, um mehr Zeit zu haben und um Dinge schneller erledigen zu können - IPhone, IPad und Konsorten. Ich halte das für einen Irrtum.

Wir kaufen uns die ganzen technischen Spielereien nicht, damit wir mehr Zeit haben, sondern damit wir mehr Zeit mit ihnen verbringen. Eigentlich haben wir also weniger Zeit dadurch. Weniger Zeit mit der Familie, weniger Zeit für die eigentlich wichtigen Dinge.

Und das schlimmste ist, dass, wenn man sie wirklich braucht, uns unssere Gadgets nicht wirklich Nutzen stiften. Klar, man kann Kinoprogramme, Fahrpläne und -karten, Reiserouten usw. bequem kaufen, buchen, oder mieten. Aber das muss man nicht immer unterwegs tun.

Heute morgen saß ich in der S-Bahn. Plötzlich hieß es "Betriebsstörung, weitere Informationen folgen". Das Ergebnis ist, dass ich jetzt in dem "Eins-später-ICE" sitze und heute wohl mit einer Verspätung von einer halben Stunde auf Arbeit ankomme. Da hilft mir kein Gadget - das ist eben so.

Ich verfolge die IT-Presse immer mal wieder. Da lese ich, dass John Carmack, der Lead-Programmer bei dem Spielestudio schlechthin - id Software - erklärt, wie er gedenkt, die "Mobile Industry" dazu zu bewegen, bessere Unterstützung für Games bereit zu stellen, so dass man hier und überall spielen kann. Super. Das hat die Welt gebraucht.

Es sieht heute schon so aus, als ob die junge Generation an ein elektronisches Gemeinschaftsbewußtsein angeschlossen ist, wenn sie sich unterwegs am laufenden Band die Ohren mit Musik zuballert. Wenn man dann immer und überall zocken kann, wird es wohl bald Prügeleien geben. Emotionen kann man schließlich nicht so einfach abschalten.

Montag, 22. November 2010

Verinnerlicht

Letzlich kam ein Kollege in die Firma und meinte, er hätte gestern "Social Network" gesehen. Das ist ein Film, in dem es um die Gründung von Facebook und um den damit verbundenen Milliarden-schweren Gerichtsprozess geht. Mein Kollege meinte, er könnte gar nicht verstehen, wie es passieren kann, dass so eine "Luftblase" soviel wert werden könnte.

Damit bezog er sich darauf, dass die eigentlichen Sachwerte nicht mehr als ein paar Büroräume und ein paar Rechner wären, die auch nicht mal wirklich Facebook gehören.

Diese Meinung hat mich nicht mehr losgelassen. Meine Antwort darauf war, dass es nicht darauf ankommt, ob ein "Ding" materiell, also eine Sache, ist oder nicht, sondern dass sich der "Wert" aus der Phantasie der Menschen ableitet, was man alles damit machen kann. Es ist schon interessant, dass ein sehr große Gruppe von Menschen, die alle individuell für sich denken, fühlen und handeln, gleichsam die Idee haben, dass ein Ding viel Potential birgt, das es zu heben gilt.

Aber was ist eigentlich das Konzept "Wert". Es handelt sich dabei ja um ein abstraktes Konzept. Man kann ihn zwar beziffern, wenn man ihn im Kontext eines wirtschaftlichen Sachverhalts betrachtet. Andererseits kann kann man ihn auch fühlen, wenn man z.B. von anderen Menschen "Wertschätzung" erfährt, indem sie einem anerkennend auf die Schulter klopfen.

Das führt zu der Frage, was  erlebbare Wertschätzung und der "abstrakte" Wert miteinander gemeinsam haben. Vielleicht ist "Wert" ein Maß für die Intensivität eines Erlebnisses, oder einer Erfahrung. Aber Facebook verkauft keine Erfahrung. Facebook "verkauft" eine Software, mit der man Teilnehmer eines "Netzwerks" sein kann und in Kontakt (nicht im wörtlichen Sinne) mit anderen Leuten bleiben kann. Welches Gefühl könnte da eine Rolle spielen?

Wenn ich so darüber nachdenke, dann fällt mir ein Glücksgefühl ein, dass man bei der Beschäftigung mit Software erfahren kann. Ich stelle mir einen Mensch vor, der sich vorstellt, was er alles mit Facebook machen kann und der sich schlicht und ergreifend darüber freut, was es ermöglicht. Und wenn sich dieses Glücksgefühl stark anfühlt, dann ist der Wert hoch. Ich kann mir auch vorstellen, dass es Menschen gibt, die herausfinden können, ob sich andere Menschen über Facebook freuen würden (z.B. indem sie von sich auf andere schließen). Und diese Menschen, die das herausfinden können, "treiben" den Wert, indem sie Nutzung von Facebook für viel Geld den Menschen ermöglichen, die sich darüber freuen, es zu benutzen.

Um so ein Glücksgefühl zu erzeugen, muss Facebook wohl einen Zweck erfüllen, den viele Menschen für sich für sehr wertvoll halten - Teil eines Netzwerks sein, Teil eines größeren Ganzen. Vielleicht kommt dabei auch ein gewisses Heimatgefühl zum Ausdruck. Wer weiss das schon.

Wenn Wert ein Maß für die Intensivität eines Erlebnisses oder einer Erfahrung ist, dann kenn ich auch verstehen, wieso mein Kollege "Sachen" für wertvoller hält, als Software. "Sachen", also Dingen, die man erleben kann, die eine räumliche Ausdehnung haben und einen oder mehrere unserer Sinne "bedienen", kann man wahrnehmen, und das in verschiedenen Intensivitätsgraden.

Man kann ein Haus z.B. sehen. So bekommt einen räumlichen Eindruck, allerding ist das eine berührungslose Wahrnehmung. Mann kann auch zu einem Haus hingehen und kann es berühren. Dann nimmt man es viel intensiver wahr. Es hinterlässt dann praktisch bei uns einen Eindruck. Man merkt dann, dass es hart ist, dass man sich daran stoßen kann und dass man schmutzig wird, wenn man lange dran rumgrapscht.

Zugegeben, dass man sich an einem Haus stoßen kann, lässt seinen Wert nicht steigen, aber wenn man in einem Haus drin ist, dann kann man sich z.B. vorstellen, wie es wäre, darin zu leben. Und _das_ lässt den Wert des Hauses steigen oder sinken.

Mir fällt aber auch noch eine andere "Definition" für Wert ein. Es könnte sich dabei auch um ein Maß für den Verlust handeln, den man erleidet, wenn man eine Sache, ein Ding, einbüßt oder wenn man einen Menschen verliert. Wenn ich mir z.B. vorstelle, dass ich meine Tochter nicht mehr jeden Tag abends ins Bett bringen kann, dann blutet mir das Herz....